Warum New Mexico?

New Mexico wird auch als Land of Enchantment bezeichnet – verzaubertes, verwunschenes, bezauberndes Land. Lucy Lippard hat sich hier niedergelassen, so wie es Harmony Hammond, Judy Chicago oder Bruce Naumann ebenfalls tun und auch Agnes Martin oder Gerogia O’Keeffe getan haben.

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Nummernschild in New Mexico – Land of Enchantment

Was hat diese Menschen aus der Welt der Bildenden Kunst veranlasst, in eines der ärmsten Staaten Amerikas zu ziehen? Hier eine Annäherung:

Lucy Lippard erzählte Southwest Contemporary, dass Feministinnen (Judy Chicago und Harmony Hammond) sie nach New Mexico geführt hätten. Weil sie in den 1970er Jahren ein Einkommen auf dem Land als Kunstkritikerin nicht als realistisch betrachtete, kaufte sie erst nach dem Tod ihrer Mutter mit dem Erbe ein Stück Land in Galisteo, einem Dorf südlich von Santa Fe. Darauf baute sie ganz in der Nähe ihrer langen Weggefährtin Harmony Hammond ein kleines Haus und wohnt nun seit etwa 30 Jahren hier.

1979 zog Konzeptkünstler Bruce Nauman nach Pecos, unweit von Galisteo, wo er sich ein neues Atelier einrichtete. Damit entzog er sich auch der Kunstwelt Kaliforniens. 1989 zog Nauman mit seiner Frau, der Malerin Susan Rothenberg (1945–2020), nach Galisteo, wo er noch immer lebt.

Die feministische Künstlerin Judy Chicago hat sich mit dem Fotografen Donald Woodman in Belen, einem kleinen Dorf südlich von Albuquerque niedergelassen. Im Interview mit AD (Architecture + Design) benennt Chicago den Grund für die Ortswahl, den die meisten Künstler:innen kennen: Kein Geld für eine Wohnung in einer Metropole. Zudem besticht die Weite New Mexicos und vor allem die Freiheit des Lebens außerhalb einer stressigen Kunstszene.

Ähnlich erging es der Malerin Agnes Martin. Gemäss The Guardian verliess sie in einer Schaffenskrise New York mit einem Pickup und Airstream-Wohnmobil, um 1968 in Cuba ein neues Zuhause aufzubauen. Es gab keinen Strom, kein Telefon, keine Nachbarn. Sie baute eine Einzimmerwohnung aus Lehmziegeln und dann ein Blockhüttenstudio aus Bäumen, die sie mit der Kettensäge fällte. Ihre Jahre in New Mexico waren geprägt von einem tiefgreifenden Rückzug aus den weltlichen Dingen, einem Leben des Verzichts und der Beschränkung.

Weiter ist dem Essay von Joanna Weber zu entnehmen, dass Agnes Martin sich 1977 dieses Adobe Studio und Haus in Galisteo baute, das heute noch erhalten ist:

Während Agnes Martin bestritt, dass der Raum ihre Kunst beinflusst (was Joanna Weber in ihrem Essay widerlegt), inspirierte sich Georgia O’Keeffe augenscheinlich an ihrer Umgebung, an der Landschaft. Dieses Video zeigt nicht nur O’Keefes Sommerhaus bei der Ghost Ranch und ihr Wohnhaus in Abiquiu, sondern auch einige Landschaften von New Mexico:

New Mexico zählt zu den wärmsten Regionen in den USA. Aufgrund der Lage im Süden der Staaten bzw. auf der windabgewandten Seite der Rocky Mountains herrscht ein sehr trockenes Steppenklima, das vor allem im Sommer sehr heiße Temperaturen mit sich bringt. Jene, die es sich leisten können, verbringen die Sommermonate in kühleren US-Staaten.

Monika und ich waren tagsüber mit dem Wohnmobil unterwegs, gekühlt durch den Air Conditioner. Die Fahrten durch die sich stets ändernden Landschaften waren bei aller Kargheit immer wieder von einer überwältigenden Farbikgeit und Weite des Raums geprägt. Besonders die Badlands – schlecht zum Wohnen und Bauen – weisen diese Qualitäten auf, welche die von Künstler:innen gesuchte Reduktion, Zurückgezogenheit, Askese unterstützen. Jedenfalls lösten bei mir die Bisti Badlands eine verblüffend tiefe Ergriffenheit aus.

Die fruchtbareren Gegenden rund um Santa Fe, Taos und Albuquerque scheinen zum Wohnen geeignet. Es lässt sich gar ein Hotspot der Kunst rund um Santa Fe ausmachen. Nicht nur Künstler:innen sondern auch Kunsthändler:innen zieht es nach Santa Fe. Gemäss santafe.com hat die Hauptstadt New Mexicos so viele Galerien, dass sie nach New York und Los Angeles der drittgrößte Kunstmarkt in den Vereinigten Staaten ist. Vielleicht droht den hier lebenden Künstler:innen deshalb kein Verschwinden von der Bildfläche?

Vielleicht. Sicherer scheint mir die Annahme, dass die Veränderung des Kunstmarktes in den 1970er Jahren mit der Etablierung dematerialisierter Kunst und Ausweitung des Museums- und Galerienraums in die Landschaft, sowie das Voranschreiten der digitalen Kommunikation ein Auskommen abseits der Kunstmetropolen möglich machten. Und die zur Selbstreflektion anregenden weiten Landschaften liegen vor der Haustüre.

Autor: K.K.Buhler

Ich bin Karin Karinna Bühler, eine Schweizer Künstlerin und Informationswissenschaftlerin, auf der Suche nach Haltung in unserer patriarchal geprägten Gesellschaft.