Videodokumentation: Ein Experiment mit Morena Barra

INTERVIEW MIT MORENA BARRA

Morena, du begleitest mich während der nächsten zwei Wochen in New York mit der Kamera. Ich habe dich als Videojournalistin kennengelernt, als du für arttv.ch ein Portrait von Literaturhaus & Bibliothek Wyborada gemacht hast, wo ich die Frauenbibliothek leite. Wir lernen uns hier erst richtig kennen, nähern uns gegenseitig an.

Du bist Filmemacherin, hast deine Ausbildung an der F+F in Zürich absolviert. Wer oder was hat dich animiert, Filmerin zu werden?

Es gibt keine bestimmte Person oder ein Ereignis, das mich zur Filmerin animiert hätte. Ich bin schon immer ein visueller Mensch gewesen und total fasziniert von Dokumentarfilmen. Als ich ca. 20 Jahre alt war, begann ich zu fotografieren. Anschliessend machte ich ein Praktikum als Videojournalistin und realisierte, dass ich gerne Geschichten erzählen möchte. Als Videojournalistin habe ich das Handwerk des Filmens gelernt und später im Studium an der F+F mein Wissen im künstlerischen Bereich erweitert. Dort habe ich erfahren, was das bewegte Bild alles kann – und es kann so viel!

Was fasziniert dich am bewegten Bild?

Film ist ein grossartiger Träger für Emotionen, für Geschichten. Mit dem bewegten Bild kannst du Welten erschaffen – dazu gehört natürlich auch Audio, Musik. So wird ein Sog erzeugt, der dich eintauchen lässt. Film ist immersiv, weil du voll mitfühlst mit dem, was Du siehst und hörst.

Was passiert mit dir, wenn du die Kamera in der Hand hast und filmst?

Mit der Kamera in der Hand kann ich mich im Moment verlieren, mich auf den Moment einlassen, der sich direkt vor meiner Linse abspielt. Mit blossem Auge würde ich manch Detail gar nicht sehen; erst mit der Kamera gehe ich näher ran und schaue fokussierter. Während des Filmens kommen oft auch neue Ideen, neue Gedanken. Die Kamera gibt mir manchmal auch die Berechtigung mich in eine Situation zu begeben, in die ich mich sonst nicht getraut hätte einzutauchen.

Und im Vorfeld, wie bereitest du deine „Shots“ vor?

Shots im klassischen Sinn bereite ich gar nicht vor, weil mich das Geplante beim Film nie interessiert hat. Beim Fiction Film ist beispielsweise alles gescriptet -alles ist geplant, auch das Drehbuch. Ich hingegen kenne meine Idee, weiss was ich will und gehe dann sehr intuitiv mit der Kamera um. Ich reagiere dann vor Ort. Wie ist der Ort? Aus welchem Winkel soll ich filmen? Der Shot passiert dann sehr spontan. Nur das Thematische plane ich im Vorfeld. Auf wen und was lasse ich mich ein? Darauf bereite ich mich gut vor.

Du gehörst zu einer jüngeren Generation, der es leicht fällt, sich Feministin zu nennen. Gab es trotzdem Widerstände, die du überwinden musstest – wenn ja, welche?

Vor etwa 5 Jahren, etwa zeitgleich mit Metoo, hatte ich etwas Mühe, mich als Feministin zu bezeichnen. Der Begriff war, oder ist immer noch, negativ konnotiert. Feministinnen seien Männerhasser oder so. Zudem finde ich alle aktuellen Bewegungen – die Klimabewegung, die antikapitalistische Bewegung, die antirassistische Bewegung, der Feminismus, der Veganismus tendenziell dogmatisch. Lange fühlte ich mich sehr eingeschränkt und stand unter Druck, alles korrekt machen zu müssen. Unterdessen habe ich mich aber davon gelöst und mir gewisse Freiheiten herausgenommen. Ich fühle mich nun wohl, mich Feministin zu nennen.  Aktuell diskutiere ich aber oft mit verschiedensten Cis-Männern, die die feministische Bewegung unterstützen und feministischen Themen gegenüber sensibilisiert sind, welche sich aber ausgeschlossen fühlen. Das finde ich schade und weiss oft nicht, wie ich diesen Situationen gegenüberstehen soll. Wo braucht es mehr Inklusion und wo ist es wichtig, sich einen eigenen Raum zu nehmen?

Wenn du nun mit mir zusammenarbeitest, meinen Aufenthalt in New York während zwei Wochen begleitest, mich filmst, was ist dir dabei besonders wichtig?

Da wir in dieser Zeit einen gemeinsamen Prozess eingehen, stellen sich bei mir Fragen wie: Wie weit kann ich mich mit meinem Blick einbringen? Was bedeutet ein weiblicher, ein feministischer Blick auf dich, dein Tun? Ich würde gerne meinen Blick und mein angelerntes Vorgehen reflektieren. So liegt es auf der Hand, Gewohntes aufzubrechen, etwas auszuprobieren, zu experimentieren. Und wir sind hier in New York, das soll man sehen.

Morena Barra, geboren 1991 in Neapel, Italien, lebt und arbeitet in St. Gallen, Schweiz.


Hier gibt’s bereits ein ersten kleinen Einblick in unser Tun:

Autor: K.K.Buhler

Ich bin Karin Karinna Bühler, eine Schweizer Künstlerin und Informationswissenschaftlerin, auf der Suche nach Haltung in unserer patriarchal geprägten Gesellschaft.

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