#2: New York

Bereits die Überfahrt von DC nach New York führte mich an das multiethnische Leben der Stadt heran, in der sich so Viele den American Dream zu erfüllen hoffen.

Für die Reise von DC nach New York wähle ich den Bus. Ein letztes Mal benutze ich die 1976 eröffnete Metro. Ab dem Busbahnhof geht’s weiter mit Megabus auf die Autobahn. Es folgte eine Fahrt, die statt drei fast fünf Stunden dauert. Da meine Mitfahrenden – Einwandernde aus Venezuela – kein Wort Englisch sprechen und sich mein Spanisch leider auch nur auf ein paar Worte beschränkt, versuchen wir uns rudimentär zu verständigen. Ich erfahre, dass die junge Familie mit Kind und ihren Freunden in New York Arbeit suchen wollen. Für sie führt die Reise wohl in eine noch ungewissere Zukunft als meine.

Und dann: New York in Sicht! Die Stadt, in der hoffentlich der Traum für die Venezuelaner:innen in Erfüllung geht.

Meine Unterkunft befindet sich in Bed-Stuyvesant, dem Quartier, wo auch die Rapper Jay-Z und The Notorious B.I.G. in den 1970er Jahren aufgewachsen sind. In den letzten Jahren hat sich das Quartier vermutlich sehr geändert, so, dass sich hier auch Touristen wohl fühlen. Augenscheinlich ist, dass ich hier als Weisse einer Minderheit angehöre. Hier leben vor allem Schwarze und Latinos. Lucy’s ist ein vietnamesisches Lokal.

In einem Artikel habe ich kürzlich gelesen, dass bereits seit ein paar Jahren mehr als 50 Prozent der in den USA geborenen Kinder nicht weiss sind. Laut Prognosen der US-Behörden sollen etwa um 2045 weisse Amerikaner nur noch die stärkste ethnische Minderheit sein. Dieser Wandel gehe in Teilen der weissen Bevölkerung mit einem enormen Bedrohungsgefühl, mit Überfremdungsängsten und Furcht vor Identitäts- und Hegemonieverlust einher. Wenn ich hier im Quartier das Zusammenleben der verschiedenen Ethnien betrachte, so scheint mir diese Sorge sehr sonderbar. Zugleich hoffe ich, dass die politischen Führungskräfte erkennen, die heutigen Minderheiten mehr in ihr Blickfeld zu rücken – sie werden unsere Zukunft sein.

Nachtrag:

Leider sieht die Situation derzeit ganz anders aus. Am 29.7.2022 erschien der lesenswerte, wenn auch beunruhigende Artikel Demokratie unter dem Hammer von Annika Brockschmidt in der Republik. Darin äussert sich Supreme-Court-Experte Andrew L. Seidel beispielsweise so: «Das wahr­scheinliche Ergebnis wird sein, dass noch mehr Macht für die schrumpfende weisse, konservative, christliche Minderheit gesichert werden soll, um die Herrschaft dieser Minderheit noch tiefer zu verankern.»

Autor: K.K.Buhler

Ich bin Karin Karinna Bühler, eine Schweizer Künstlerin und Informationswissenschaftlerin, auf der Suche nach Haltung in unserer patriarchal geprägten Gesellschaft.

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