#5: US-Westküste

Auf das Abenteuer mit dem Wohnmobil in New Mexico folgen ein paar ruhigere Tage in San Francisco, eine eindrückliche Autofahrt der Pazifik-Küste entlang – und zum Schluss drei Wochen in Los Angeles.

SAN FRANCISCO

Etwas abseits des Zentrums wähle ich mir ein Airbnb, um mich nicht gleich ins Getümmel zu stürzen, sondern erst einmal die vielen Eindrücke der Landreise setzen zu lassen.

Die Neugier treibt mich dann aber doch bald in die Stadt mit den steilen Strassen, die ich aus der TV-Serie meiner frühen Jugend kenne. Ende der 1980er Jahre wurde die Serie Die Strassen von San Francisco (produziert 1972) auf ProSieben auch in die Bühler’sche Stube ausgestrahlt. Der Film zeigt eindrücklich, mit welchem Frauenbild ich aufgewachsen bin: Es gibt ausschliesslich weisse Männer als Darsteller – mit denen ich mich identifiziert habe(!) – nicht wegen ihres Geschlechts, sondern wegen ihrer handelnden Rollen. Frauen werden im Film als Büroangestellte, hysterische Hausfrau oder Mordopfer dargestellt. Wenig attraktiv.

in Minute 01:01:08 wo der Karate-Lehrer auf eine neue Schülerin zeigt und lachend sagt: Die Emanzipation der Frau hat sich prächtig auf das Geschäft ausgewirkt. Immerhin zeigen sich damit erste Auswirkungen der aufmüpfigen Frauen, die Lynn Hershman-Lesson in ihrem Dokumentarfilm !Women Art Revolution vorstellt. Per Mail hat mir die Filmemacherin und Künstlerin ein paar Fragen kurz und knackig beantwortet. Hier der Link zum Interview.

Meinem Mädchentraum folgend, miete ich ein Auto, um die steilen Strassen San Franciscos selber zu befahren. Wie aufregend.

PACIFIC COAST HIGHWAY

Mit dem Mietauto fahre ich die ebenso filmreife Strecke auf dem Pacific Coast Highway von San Francisco bis nach Los Angeles. Der Küstenstrasse (Highway 1) folgend bietet sich mir gefühlt nach jeder Kurve ein Blick in eine Bucht, mal türkis, mal düster, mal zerfurcht, mal mit Sandstrand – mit atemberaubenden Aussichten aufs Meer.

LOS ANGELES

In Los Angeles verbringe ich die letzten drei Wochen meiner Recherche-Reise. Auch hier habe ich ein behagliches Studio gefunden, wo ich weitere Blog-Beiträge schreibe (resp. beginne zu schreiben …) und die Stadt erkunde – nun gemeinsam mit meiner Tochter Lisa. Zu Pferd geniessen wir die Aussicht auf die sich bis zum Horizont ausbreitende Stadt, bummeln zum Skaterpark an der Strandpromenade Venice Beach, besuchen Museen und Galerien, ein Arthouse-Kino, schauen bei Nacht vom Observatorium in das städtische Lichtermeer, essen Burger und Pie.

Nicht offiziell aber offensichtlich ist Los Angeles bilingual. Diverse öffentliche Angebote (z.B. Ticketautomat, Beschriftungen in Museen, in Bussen, am Flughafen, etc.) sind auf englisch und spanisch. Etwa ein Fünftel der Bevölkerung Amerikas sind Hispano- und Latino-Amerikaner:innen. In Los Angeles sind es gemäss United States Census Bureau bald die Hälfte.

Bus und Metro sind günstig, aber nur rudimentär an wenigen Hauptachsen angelegt (und oft verpisst). Wer sich ein Auto leisten kann, was augenscheinlich die meisten können, fährt Auto. Lyft und Uber sind denn für Tourist:innen die Lösung, wenn es mal schneller oder nicht den Hauptachsen entlang gehen soll. Mit Lisa bin ich oft zu Fuss unterwegs, obwohl die Stadt eigentlich nicht dafür gemacht ist. Egal. Stadtwandern nennen wir das. Zu Fuss ist der Reichtum und auch die Armut besonders gut sichtbar. Neben Villen mit Pools gibt es auch Obdachlose, die am Strassenrand schlafen, manchmal in provisorischen Unterschlüpfen, manchmal bloss in ein Tuch gewickelt.

Unsere Gehdistanzen bewegen sich eher im Stunden- als im Minutenbereich … Die gewaltige Ausdehnung des städtischen Siedlungsgebietes von Los Angeles ist verstörend. Hier wird zwar auch in die Höhe gebaut, allerdings auf sehr kleiner Fläche. Downtown Los Angeles beschränkt sich auf wenige Häuserblocks. Der Rest der Grossstadt ist in die Breite gebaut. Die daraus resultierende Zersiedelung ist der Erfüllung des Traum eines Eigenheims geschuldet.

L.A. ist eine Ansammlung von Vorstädten auf der Suche nach einem Zentrum, sagt ein Fernsehreporter des Schweizer Fernsehen SF. Die Stadtplanerin Dana Cuff formuliert im Beitrag eine Lösung dagegen: Los Angeles müsse nun nach innen wachsen. Ziel sei es, die täglichen Bedürfnisse in der unmittelbaren Umgebung erfüllen zu können. Gemäss Leslie Kern, Autorin von A Feminist City, dürfen Frauen in der Stadtplanung nicht weiter vernachlässigt, sondern sollen ihre Bedürfnisse in die Entwicklung miteinbezogen werden, um die Stadt lebenswerter zu machen – für alle.

Feminsit City - Leslie Kern

In ihrem Buch Feminist City legt Leslie Kern offen, was im Verborgenen liegt: die sozialen Ungleichheiten, die in unseren Städten, Häusern und Nachbarschaften herrschen. Die Stadt als Patriarchat, das in Stein gemeißelt ist.

Es ist an der Zeit, die Selbstverständlichkeiten, die wir über Städte haben, zu demontieren und uns zu fragen, wie wir gemeinsam gerechtere, nachhaltigere und solidarischere Städte aufbauen können.

Das Buch ist übrigens auszuleihen in der Bibliothek Wyborada.

Von meiner Studio-Vermieterin erfahre ich, dass es einst eine Strassenbahn gegeben habe, die ihr Quartier mit dem Nachbarsquartier verband. Sie sei aber zugunsten des Autoverkehrs aufgelöst worden. Den Grund lese ich im Internet nach: General Motors, der grösste Automobilhersteller der USA, sei verantwortlich für den Grossen Amerikanischen Straßenbahnskandal. Systematisch sei in Los Angeles der auf der Strassenbahn basierende öffentliche Verkehr ab den 1930er bis in die 1960er Jahre zerstört worden. Das Problem der verstopften Strassen besteht nun heute noch …

Im Museum The Broad werden neben drei Künstlern auch Kara Walker und Yayoi Kusama vorgestellt und zeigt damit eine fast paritätische Auswahl. Nicht so die in der von Regen Projects eingerichtete Ausstellung Stars Don’t Stand Still in the Sky, einer Hommage an den kürzlich verstorbenen Konzeptkünstler Laurence Weiner. Es sind lediglich 13 Künstlerinenn von insgesamt 57 Ausstellenden vertreten. Wäre Weiner nicht mit einigen jüngeren Künstlerinnen befreundet gewesen, deren Werke in die Ausstellung integriert wurden, wäre die Bilanz noch beschämender ausgefallen. Die feministischen Initiativen der 1970er Jahre sind in dieser Ausstellung zu Konzeptkunst wenig spürbar. Schade. Damit wird der herkömmliche Kunstkanon zu Konzeptkunst nicht berichtigt und ein wichtiger gesellschaftlicher Wandel im Denken und Sehen verpasst. 

Erfreulich ist die Haltung des Galeristinnen-Duos Sprüth Magers. Die Los Angeles Times stellt sie 2016 zur Eröffnung ihrer Galerie in L.A. vor. Beide Frauen verstehen sich nach wie vor als Feministinnen und Kunstgaleristinnen.

When you look at the real power, the financial power in the art world, there’s still a difference between the male and female artists. It’s not resolved as a problem yet, so we’re still very aware of this.

The answer isn’t a numbers game of simply representing more female artists. The important thing is representing artists you think are saying something important. And that we support them to the level that they are really visible. Because then they become a role model for a younger generation.

Monika Sprüth

Monika Sprüth erläutert im Artikel eine tatsächliche Macht, die finanzielle Macht in der Kunstwelt, erkennt einen immer noch bestehenden Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Künstlern. Die Antwort darauf liege nicht darin, einfach mehr Künstlerinnen zu vertreten. Wichtig sei, dass die Galerie Künstlerinnen vertreten, von denen sie glauben, dass sie etwas Wichtiges zu sagen haben. Diese Künstlerinnen gilt es zu unterstützen, dass sie wirklich sichtbar seien – dass sie zu einem Vorbild für eine jüngere Generation werden. Diese Haltung einer wichtigen Playerin im Kunstmarkt dünkt mich wichtig und weitsichtig, stimmt mich hoffnungsvoll.

Auch sonst ist die Stadt grandios. Aufgrund der Gärten rund um die Wohnparzellen gibt es relativ viele Grünflächen, die Menschen sind nett und zuvorkommend. Zudem ist das Wetter das ganze Jahr über warm und angenehm – im Schnitt ca. 24° C und damit 5,5°C wärmer als in New York und 11° C wärmer als in St.Gallen. An die tieferen Temperaturen in der (Ost)Schweiz muss ich mich nun bald wieder gewöhnen …

Autor: K.K.Buhler

Ich bin Karin Karinna Bühler, eine Schweizer Künstlerin und Informationswissenschaftlerin, auf der Suche nach Haltung in unserer patriarchal geprägten Gesellschaft.

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