Seit Kurzem bin ich auch Sprayerin.
Im vergangenen Frühling verwendete ich erstmals Kreidespray, als ich für Hiltibold den Schriftzug HISTORY/HERSTORY mit eigens dafür gefertigten Schablonen auf das Schaufenster sprayte. HERSTORY auf der Innenseite, HISTORY auf der Aussenseite. Wind, Wetter, Menschen und Zeit waren schliesslich am gewünschten Verschwinden von HISTORY beteiligt; mit dem Hinweis auf den Missstand, dass sich die allgemeine Geschichtsschreibung auf die Lebenswelten von Männern beschränkt und damit eine Identität schafft, die nur auf der Hälfte unserer Gesellschaft basiert.
Als ich mich nach New York für zwei Wochen in der abgelegenen Guest Cabin in Joshua Tree aufhielt (#3: A-Z West) und später auch in New Mexico (#4: New Mexico), unternahm ich ausgedehnte Spaziergänge durch die weiten Landschaften. Mit Kreidespray. Diesmal ohne Schablone, sondern mit flüchtiger Geste ein sich auflösendes Zeichen hinterlassend.
Während ich mich bei History/Herstory mit den Fragen Wer schreibt Geschichte? Aus welcher Perspektive? Über wen und was? auseinander setzte, waren in der mir neu gegebenen Landschaft menschgemachten Anlässe zur Geschichtsschreibung abwesend. In der Steinwüste von Joshua Tree, später auch in den Bisti Badlands, sind keine kulturellen Hinterlassenschaften wie Bauten, Strassen, Schriften vorhanden; nichts worüber ich recherchieren, mich austauschen, woran ich mich reiben könnte.
Diesen Umstand als Herausforderung annehmend, adaptiere ich meine künstlerische Praxis an das Umfeld. Bisweilen klettere ich dafür ein wenig, suche abgelegene Stellen, um den Tag zu setzen. Es ist ein performativer Akt, eine rasche, vergängliche Geste. Beim nächsten Regen ist das Zeichen wieder weg. Bis dann ist die Schrift Teil der Landschaft, die in der Zeit still zu stehen scheint und das vorherrschende patriarchale Tun nichtig erscheinen lässt. Swoosh – und vorbei.
